ZitatZeitreise mit dem Sonderzug durch die Lausitz Es ist eine Tour für Eisenbahnnostalgiker. Genau 175 Jahre sind seit der ersten Fahrt eines dampfbetriebenen Zuges in Deutschland vergangen. Am gestrigen Dienstag hat der Verein mit einer Sonderfahrt von Cottbus über Hoyerswerda und Senftenberg daran erinnert. Männeraugen strahlen. Kameras klicken, sobald sie in Sicht kommt. Fauchend kündigt die Lok 35 1019 ihre Ankunft an. Dann versinkt Bahnsteig 5 des Cottbuser Bahnhofes in dichtem Dampf. Pfeifend kommt der Sonderzug des Lausitzer Dampflok Clubs (LDC) zum Stehen. Als sich die weißen Schwaden verziehen, klettern die wartenden Fahrgäste in die Abteile. Die Herren sind eindeutig in der Überzahl. Der Altersdurchschnitt liegt jenseits der 60. Eine Handvoll Interessierte nehmen schon einmal die Lok in Augenschein, den schwarzen Koloss, Baujahr 1958. Dann mahnt der Zugführer pfeifend zur Abfahrt. Es ist kurz nach 10.30 Uhr. Laut Fahrplan müsste der Sonderzug schon auf der Strecke sein.
Drinnen im Abteil ist es warm. Die Scheiben beschlagen. Silke Lindner hat der kleinen Charlotte das Jäckchen ausgezogen. Noch interessiert sich die Kleine mehr für ihr Spielzeug als für die Zugfahrt. Bei ihren Eltern ist das anders. „Die Tour mit dem Sonderzug ist ein Geschenk für meinen Mann“, erzählt Silke Linder. Aber ihre Tasche mit dem DB-Logo verrät, dass sich die Bahnbegeisterung bei Lindners aus Lübben nicht auf den Familienvater beschränkt. „Wir sammeln alles rund um die Bahn“, erzählt Silke Lindner. „Sicher hat unsere Kleine diese Leidenschaft schon in den Genen“, sagt sie lachend. Der Zug rollt weiter in Richtung Spremberg.
Andres Laake ist mit zwei Freunden unterwegs. Die Begeisterung für die Eisenbahn habe ihn schon in Kindertagen gepackt, erzählt der 33-Jährige. „Damals gab es die ein oder andere Lok zu Weihnachten. Diese Schätze habe ich gehütet und ausgebaut“, sagt Laake. Aus Platzgründen müsse sie jetzt im Keller gelagert werden. „So ein moderner ICE hat doch keine Atmosphäre. Aber eine Fahrt mit der Dampflok kann man mit allen Sinnen genießen“, schwärmt Laake.
Mit 100 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit rollt der Sonderzug inzwischen auf Hoyerswerda zu. „Der Dampfzug von Nürnberg nach Fürth am 7. Dezember 1835 hat es höchstens auf 25 bis 30 Stundenkilometer gebracht“, weiß Professor Hans-Christoph Thiel vom Lehrstuhl für Eisenbahn und Straßenwesen der BTU Cottbus. In den ungeheizten Wagen dürften die Passagiere an diesem Dezembertag vor 175 Jahre gefroren haben, vermutet er. Aus der Zeit der Pioniertage sei heute nur noch die Spurweite übrig geblieben. „Alles andere hat sich überlebt, weil auch die Eisenbahn mit der Zeit gehen musste.“ Dafür, dass die historische Technik eine solche Faszination auf viele Menschen ausübe, hat der Wissenschaftler eine Theorie: „All das ist technisch interessant, wo man die Wirkung der Kraft unmittelbar erkennen kann. Es wird optisch sichtbar, was durch den Energieeintrag in Bewegung gebracht wird“, sagt Professor Thiel. „Eine Dampflok, das ist Leben“, bringt es Sven Seifert auf den Punkt. Seifert hat an diesem Tag als Lokführer das Sagen auf der 35 1019. Es ist sein Hobby. Ist er im Dienst, steuert er als Lokführer ICEs. „Wenn ich's mir aussuchen könnte, würde ich nur Dampfloks fahren“, sagt er.
Beim Halt im Bahnhof Hoyerswerda bekommt er Besuch auf der Lok. Bereitwillig gibt Seifert den Neugierigen Auskunft. Knapp 200 Tonnen habe die Lok an diesem Tag zu ziehen. Gut drei Tonnen Steinkohle schaufelt Heizer Michael Bruchholz dafür ins lodernde Feuer des Kessels.
Auch der dreijährige Steyn Leif aus Spremberg darf auf die Lok. Er staunt. „Seit wir auf Rügen mit dem Rasenden Roland gefahren sind, gibt es für den Kleinen nur noch Dampfloks“, berichtet Mutter Sabrina. Unterdessen lässt es der Lokführer beim Stop in Hoyerswerda so richtig dampfen. Für die Erinnerungsfotos. Und auch ein ganz besonderer Fahrgast wirft sich für die Kameras in die Brust. Der Weihnachtsmann ist mit von der Partie. „Es hat Tradition, dass ich bei den Sonderfahrten des LDC dabei bin. Ansonsten bleibe ich aber bei meinem Schlitten. Bei einer Fahrt von Berlin nach Senftenberg hatte die Bahn gestern drei Stunden Verspätung. Das kann ich mir nicht leisten“, sagt Christoph Ruhland aus Senftenberg, der sich hinter Bart und rotem Mantel verbirgt.
Der LDC-Sonderzug ist inzwischen wieder planmäßig unterwegs. Auf der Rückfahrt wird im Speisewagen bei Bockwurst und Glühwein gefachsimpelt. Es geht um Loknummern und Radachsen – für Laien Eisenbahnerchinesisch. Doch die sind bei dieser Tour in der Unterzahl. Pünktlich um 13.15 Uhr rollt die Lok wieder im Cottbuser Bahnhof ein. Drei Stunden Arbeit liegen jetzt noch vor den Ehrenamtlichen des LDC, die den Zug abrüsten und die Lok abölen müssen. Im Lokschuppen wartet die 35 1019 dann, bis es am kommenden Samstag um 10.30 Uhr erneut auf die Jubiläumstour geht.