ZitatArriva-Betriebsrat fordert beim Verkauf durch die Bahn Mitspracherecht ein
PRITZWALK - Die Antwort des Chefs der ehemaligen Privatbahn Arriva Deutschland, Frank Engler, auf einen Brief des Konzernbetriebsrats fiel knapp und unfreundlich aus. Dieser hatte um Informationen über den laufenden Verkaufsprozess des Unternehmens gebeten. Wie es mit dem Verkauf des 3200-Mann-Unternehmens weitergehe, gehe den Betriebsrat nichts an, so Engler: „Das ist keine öffentliche Ausschreibung.“
Mit einem großen Happen hatte die Deutsche Bahn AG im Sommer den britischen Arriva-Konzern, einen ihrer größten Konkurrenten im öffentlichen Schienennahverkehr in Deutschland, geschluckt. Durch das 2,8 Milliarden schwere Geschäft will sich Bahnchef Rüdiger Grube den Zugang zum Europäischen Markt sichern. Im Gegenzug verlangte das Bundeskartellamt allerdings, dass die Bahn den deutschen Teil von Arriva wieder verkaufen muss – und zwar am Stück.
Hatten zu Beginn noch rund 30 Unternehmen Interesse gezeigt, sind offensichtlich inzwischen nur noch vier oder fünf Bieter am Start. Nach zwei eher unverbindlichen Bieterrunden soll Ende des Monats eine dritte anstehen, in der konkrete Angebote vorgelegt werden sollen. Keolis, hinter der die französische Staatsbahn steht, hat ihr Interesse als einziger Bewerber öffentlich bekundet. Doch auch der französischen Veolia-Gruppe und Abellio, die die niederländische Staatsbahn im Rücken hat, wird ein Angebot zugetraut. Oft fällt auch der Name des schwedischen Investors EQT, der sich mit der dänischen Staatsbahn verbündet haben soll. Interesse haben soll auch die Benex – Muttergesellschaft der Hamburger Hochbahn, die bei ihrer Expansion von dem australischen Finanzinvestor International Public Partnerships unterstützt wird.
Dazu kommt eine unklare Zahl von reinen Finanzinvestoren. Solche Investoren – von Ex-SPD-Chef Franz Müntefering als „Heuschrecken“ geschmäht – fürchtet man in der Arriva-Belegschaft. „Die haben keine Ahnung von Verkehr. Die wollen nur möglichst viel Geld aus dem Verkauf von Arriva Deutschland ziehen und das Unternehmen in seine Einzelteile zerschlagen“, heißt es in Beschäftigtenkreisen. Bahnchef Grube hat zwar erklärt, an den Meistbietenden verkaufen zu wollen, doch die Betriebsräte vermuten, dass Grube kein Interesse daran hat, durch den Verkauf einen Konkurrenten zu stärken.
Als überzogen sehen Betriebsräte die Erwartungen der Bahn an, bei einem Verkauf 200 bis 400 Millionen Euro zu erlösen. Für die Osthannoversche Eisenbahn etwa musste Arriva 2006 selbst nur 30 Millionen auf den Tisch legen – dort arbeitet ein Drittel aller Arriva-Beschäftigten. Die Prignitzer Eisenbahn (PEG) kostete Arriva nur fünf Millionen Euro. „Das Geld, das in der Rechnung fehlt, wird auf dem Rücken der Mitarbeiter wieder reingeholt“, heißt es.
Betriebsratschef Hans-Jürgen Hauschild fordert mehr Mitspracherecht – zumal der Betriebsrat keinen Sitz im Aufsichtsrat hat. Hauschild: „Wir lehnen den Verkauf an Heuschrecken ab, unterstützen aber jedes Konzept, das Arbeitsplätze und Tarifstandards einhält, bevorzugt von einem verkehrspolitisch kompetenten Unternehmen.“ (Von Claudia Bihler und Gerald Dietz)
Bus- und Bahnbetreiber
•Der Arriva-Konzern hat im vergangenen Geschäftsjahr bei einem Umsatz von 3,14 Milliarden britischen Pfund (3,6 Milliarden Euro) – einem Plus von drei Prozent – einen Gewinn von 121,7 Millionen Pfund (140 Millionen Euro) erzielt – 19 Prozent weniger als im Vorjahr.
•Im letzten Jahresabschluss von Arriva Deutschland aus dem Jahr 2008 wird ein Fehlbetrag von 9,89 Millionen Euro ausgewiesen.
•Zu Arriva gehören die Prignitzer Eisenbahngesellschaft (PEG), die Busgesellschaft Südbrandenburger Nahverkehrs GmbH in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz), die Regentalbahn in Bayern, der hessische Autobusbetreiber Sippel und die Osthannoversche Eisenbahn.
•In Nordrhein-Westfalen hat die PEG bislang von ihr betriebene Strecken im Ruhrgebiet bei der letzten Ausschreibung an die Deutsche Bahn verloren. Das Unternehmen hatte keine Bewerbungsunterlagen abgegeben.
•Das Arriva-Paket in Deutschland, das die Bahn verkaufen muss, umfasst nicht nur Bahn- und Busgesellschaften. Es geht auch um Güterverkehr, Infrastruktur – Arriva betreibt ein Schienennetz von 546 Kilometern Länge – und sogar Hafenbetriebe, alles in allem 15 Prozent des Arriva-Umsatzes. us