Zitat Langer Fußmarsch auf dem Bahnhof Bis 400 Meter müssen Reisende in Finsterwalde künftig auf neuen Bahnsteigen gehen
Finsterwalde Noch in diesem Jahr will die Bahn mit umfangreichen Umbauarbeiten auf dem Finsterwalder Bahnhof beginnen. Die Bahnsteige sollen höher und breiter und die Signalanlagen moderner werden. Danach werden Reisende beim Einstieg keinen Spagat mehr machen und beim Ausstieg nicht mehr von der letzten Sprosse der Zugleiter abspringen müssen. Muttis mit Kinderwagen und Behinderte mit Rollstuhl können künftig ebenerdig in den und aus dem Zug rollen. Dennoch wird bei den Reisenden keine echte Freude aufkommen.
Mit dem Bau der neuen Bahnsteige wird sich auch der Übergang vom sogenannten Hausbahnsteig zu den Bahnsteigen 2 und 3 verändern. Denn der muss aus Sicherheitsgründen nicht nur mit einer Absperrung und Schranke, sondern zugleich weit in westlicher Richtung am Ende des Bahnsteigs zur großen Unterführung hin errichtet werden. Damit müssen Reisende beim Ein- und Aussteigen einen Weg von mindestens 200 und schlimmstenfalls 400 Metern in Kauf nehmen, um bis vors Bahnhofsgebäude zu gelangen.
Dass das künftig nur noch als Attrappe da steht, gehört weiter zu den Plänen der Bahn. Denn eine Fahrkartenausgabe – die ohnehin einzig verbliebene Einrichtung in dem großen Haus – wird es hier nicht mehr geben, Automaten sollen die Arbeit übernehmen. Schlimmer noch: Der alte Denkmalbau und der moderne Bahnsteig werden vermutlich nicht harmonisch zusammengefügt, sondern optisch ein Kontrastbild abgeben. Denn: Um Reisenden den barrierefreien Weg vom Bahnsteig zum Zug zu ebnen, muss der Bahnsteig um fast 30 Zentimeter angehoben werden. Da das Bahnhofsgebäude nicht gleichermaßen anwachsen kann, bleibt zwischen Hausbahnsteig und Bahnhofsgebäude ein freier Raum – der, damit Reisende an der Kante nicht abstürzen, vom neuen Bahnsteig aus mit einem Geländer gesichert wird. So hat man das Problem jedenfalls auf dem Bahnhof in Crimmitschau gelöst, wo der Bahnhof zur Dreckecke verkommen ist.
Bahn: "Keine schöne Lösung"
Der ist von Torsten Ratke, dem Finsterwalder Bahnexperten, als abschreckendes Beispiel genannt worden, als Planer von der Bahn AG ihr Projekt vom Umbau des Finsterwalder Bahnhofs in dieser Woche im Rathaus vorgestellt haben. Und dafür tüchtig Kritik ernteten. Andreas Berger, Leiter vom Baumanagement, gab zu: "Das ist keine schöne Lösung", erklärte aber unmissverständlich: "Wir sind aber beauftragt, eine wirtschaftliche Variante zu finden." Das schließt dann freilich – um den weit entfernten Überweg zu den anderen Bahnsteigen zu vermeiden – den Bau eines Fußgängertunnels bzw. -überweges aus. Denn beide Alternativen mit eingebauten Fahrstühlen würden das Drei- bis Vierfache mehr kosten.
Stadt lehnt Baupläne ab
"Was ist an einem Bahnhof behindertengerecht, wenn man zwar ebenerdig ein- und aussteigen kann, vom Zug bis zum Ausgang aber 400 Meter laufen oder mit dem Rollstuhl fahren muss", fragte Bürgermeister Jörg Gampe. "Solch ein Bahnhof wird uns weiter Reisende kosten, und am Ende werden wieder Züge abbestellt", ist sich Gampe sicher. "Ich kann dann wohl kaum einem Touristen noch raten, in Finsterwalde auszusteigen, wenn er erst hunderte Meter in Richtung Doberlug-Kirchhain gehen muss", erklärte Dr. Christina Eisenberg, Vorsitzende des Sängerstadt-Marketingvereins. Die Stadt, so der klare Tenor im Wirschafts-, Bau- und Umweltausschuss, wird sich gegen die Baupläne der Bahn wehren. Im Rathaus will man auch darüber reden, ob die Stadt das Angebot annehmen wird, den leeren Bahnhof zu kaufen. Der Stadtverordneten Rainer Genilke (CDU): "Als Besitzer haben wir vielleicht die Chance, mehr Einfluss auf die Gestaltung der Bahnsteige zu nehmen."
Zum Thema: Die Deutsche Bahn will in diesem Jahr auf dem Bahnhof in Finsterwalder Gleise verlegen. 2013 sollen die Bahnsteige erneuert, 2014 eine neue Sicherheitstechnik installiert werden. Eine neue behindertengerechte Zufahrt soll westlich des Bahnhofs entstehen – das Gebäude selbst wird dann nicht mehr gebraucht. Die Stadt wird zum geplanten Bauvorhaben angehört – sie will es in der nächsten Stadtverordnetensitzung am 27. Juni zum Thema machen. Dieter Babbe
Zitat Kein ICE-Halt in Doberlug-Kirchhain Weg zur Hauptstadt wird für Finsterwalder Berufspendler mit der Bahn immer länger
Finsterwalde Hätte Minister Jörg Vogelsänger (SPD) mit dem Zug von Potsdam nach Finsterwalde kommen und pünktlich um 10 Uhr zur Beratung mit den Bürgermeistern und Amtsdirektoren der Sängerstadtregion sein wollen, er hätte nicht nur frühzeitig aufstehen, sondern auch viel umsteigen müssen. Minister Vogelsänger in Finsterwalde Minister Vogelsänger in Finsterwalde Foto: Dieter Babbe (LR-FIN-RED-101)
Bereits um 6.10 Uhr fährt die S-Bahn, die ihn zuerst nach Berlin und der Zug von hier aus über Wittenberg und Falkenberg nach 3,12 Stunden Fahrzeit und insgesamt vier Umstiegen endlich nach Finsterwalde bringt. Alternativ kann er um 6.50 Uhr losfahren, die östliche Schleife über Berlin und Cottbus nehmen, wo er "nur" zweimal umsteigen muss.
Etwa 130 Frauen und Männer, die im Elbe-Elster-Kreis wohnen und in Potsdam arbeiten, geht es tagtäglich so – hinzukommen die 700 Auspendler aus dem Kreis, die in Berlin arbeiten. Die müssen in den letzten Jahren, seit es keine Direktverbindung zwischen der Sänger- und der Hauptstadt mehr gibt, eine deutliche längere Fahrzeit in Kauf nehmen. Waren Pendler aus Finsterwalde im Jahre 1998 lediglich 79 Minuten nach Berlin unterwegs, so sind es gegenwärtig im Idealfall 103 Minuten – auf der seit dem letzten Fahrplan ausgewiesenen Verbindung braucht man bereits 128 Minuten für die 120 Kilometer. Auf Einladung des CDU-Landtagsabgeordneten Rainer Genilke war Minister Jörg Vogelsänger am Freitag für eine Stunde in Finsterwalde in einer Runde mit den kommunalen Verwaltungsspitzen der Sängerstadtregion zu Gast, an der auch der Beigeordnete des Kreises, Peter Hans, sowie die SPD-Landtagsabgeordnete Barbara Hackenschmidt teilgenommen haben. Die Abbestellung der Direktverbindung zwischen Berlin und Finsterwalde sei für den Tourismus zum "Genickbrecher" geworden, kritisierte Bürgermeister Jörg Gampe (CDU). Die Besucherzahlen seien in der Folge in der Stadt und Region dramatisch zurückgegangen. Amtskollege Bodo Broszinski (FDP) forderte von der Landesregierung, sich bei der Bahn für den Halt von IC- und EC-Zügen am Knotenbahnhof in Doberlug-Kirchhain stark zu machen. Damit wäre der Berliner Hauptbahnhof in etwa 90 Minuten erreichbar – 1998 sei das noch in einer Stunde möglich gewesen.
Dass die schnellen Züge in Elsterwerda und gleichzeitig in Doberlug-Kirchhain halten werden, schließt Minister Vogelsänger aus. "Die Bahn will die Strecke Berlin-Dresden ausbauen, damit sie schneller wird. Bei Tempo 200 wird es künftig eher weniger als mehr Halts unterwegs geben, die immer auch das Tempo bremsen." Auf den angesprochenen Bahnhof Finsterwalde, wo die Bahnsteige einerseits behindertengerecht erneuert werden und andererseits für die Reisenden weite Wege von bis zu 400 Metern zwischen Zug und Bahnhof entstehen sollen, ging der Minister nicht ein. Allerdings zeigte er sich weiter gesprächsbereit in der Debatte um den Fortschreibung des Landesnahverkehrsplanes 2013 bis 2017. Dieter Babbe
Zitat Denkmalschutz rät Finsterwalder Bahnhofs-Kauf Baxmann versichert: Werden Bahnhof Crimmitschau in Finsterwalde nicht zulassen
Finsterwalde Die Bahn will den Finsterwalder Bahnhof umkrempeln – und dabei architektonisch verunstalten. Was sagt der Denkmalschutz dazu? Die RUNDSCHAU sprach mit Dr. Mattias Baxmann. Er wohnt in Massen und ist der zuständige Referent beim Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege.
Bahnhof Finsterwalde Foto: RUNDSCHAU Muss sich Finsterwalde die Pläne der Bahn gefallen lassen? Dass die Bahn immer mehr den Bahnbetrieb vom eigentlichen Bahnhof abkoppelt, ist ein Trend, der nicht aufzuhalten ist. Hier hat die Bahn das Recht auf ihrer Seite. Immerhin muss sie die Träger öffentlicher Belange wie die Kommune und unter anderem unser Amt an den Planungen beteiligen. Es geht ja dabei auch darum, den Reisenden einen barrierefreien Zugang zum und vom Zug zu sichern, was jetzt in Finsterwalde noch nicht möglich ist.
Was aber zu Lasten eines markanten Gebäudes geht, das immer als repräsentatives Eingangstor der Stadt galt. Das muss nicht sein. Klar ist leider auch: Die Ära, da der Bahnhof diese Rolle gespielt hat und
Ankunfts- und Abfahrtsort für die Reisenden war und ohne den Bahnfahren nicht denkbar war, ist in der Fläche weitgehend vorbei. In großen Städten und an wichtigen Eisenbahnknoten ist heute der Bahnhof auch Einkaufsparadies und Eventort. Der Finsterwalder Bahnhof bleibt zumindest Haltepunkt, hat aber nicht mehr die Bedeutung, die er mal hatte. Jetzt geht es darum, mit der neuen Situation zu leben und das Beste draus zu machen – auch für das Denkmal der Verkehrs- und Baugeschichte.
Welche Möglichkeiten hat die Stadt? Es gibt zwei Varianten. Die eine: Der Bahnhof bleibt bei der Bahn. Er wird vom Unternehmen baulich gesichert. Das bedeutet dann vermutlich: Fenster und Türen werden vandalismussicher verschlossen. Das einstige Vorzeigebauwerk aus wilhelminischer Zeit, auf das die Finsterwalder zurecht stolz sind, bleibt für unbestimmte Zeit ein Bau ohne jede Nutzung und verströmt bald den morbiden Charme des Verfalls.
Und die andere Möglichkeit? Die Stadt oder ein städtischer Eigenbetrieb könnte zum Beispiel den Bahnhof kaufen, wie in Lübbenau. Der von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft erworbene Bahnhof ist nicht gänzlich vom Bahnbetrieb abgekoppelt, hat ein privat betriebenes, modernes Reisezentrum, Fahrradverleih, Spreewaldshop und Erlebnisgastronomie sowie Kleingewerbe. Reisende nutzen ihn auf dem Weg zu den Bahnsteigen. Im Bahnhof gibt es eine Pension, deren elf Räume von Künstlern gestaltet wurden. In Ortrand ist der Bahnhof privatisiert worden. Hier sind Wohnungen und eine Arztpraxis entstanden. Der Bau des neuen Haltepunktes konnte denkmalverträglich gestaltet werden. Kauft ein privater Dritter, besteht allerdings die Gefahr, dass dem finanziell die Luft ausgeht und am Ende das Problem für die Stadt bleibt.
Was sagt der Denkmalschützer zum Bahnhof Crimmitschau, wo der neue Bahnsteig vom historischen Bahnhofsgebäude baulich auf extreme Weise abgekoppelt wurde? So weit muss es in Finsterwalde nicht kommen. Die Bahn ist in der Pflicht, in ihrem Besitz befindliche Denkmale in besonderer Weise zu würdigen. Wir sind auch dazu da, zu helfen, nach denkmalverträglichen Lösungen zu suchen. Das ist nicht immer einfach, aber auch nicht aussichtslos. Wir werden Einfluss darauf nehmen, dass der Zeugniswert des Bahnhofes möglichst erhalten bleibt. Crimmitschau würden wir in Finsterwalde so sicher nicht zulassen wollen.
Welchen Kompromiss sehen Sie für den Finsterwalder Bahnhof? Das kann ich noch nicht sagen, die Pläne der Bahn sind bei uns noch nicht angekommen. Insofern ist noch Zeit, über die Zukunft des Bahnhofes in Ruhe zu reden und zu verhandeln – je früher, desto besser. Das Landesamt für Denkmalpflege ist bereit, die Stadt fachlich zu beraten.
Zum Thema: Auf dem Finsterwalder Bahnhof sollen, nach bisherigen Plänen, der Übergang zu den Bahnsteigen nach weit draußen verlegt und die Bahnsteige um 30 Zentimeter angehoben werden. Zwischen den neuen Bahnsteigen und dem alten Bahnhofsgebäude entsteht eine breite Grube. Mit Dr. Matthias Baxmann sprach Dieter Babbe
Zitat Die Stadt fordert Fußgängertunnel oder -brücke für Bahnsteig zwei Im Finsterwadler Rathaus werden die derzeitigen Baupläne der Bahn abgelehnt / Erwerb des Bahnhofes nicht ausgeschlossen
Finsterwalde Die Stadt lehnt die derzeitigen Pläne der Bahn zum Umbau der Bahnsteige auf dem Finsterwalder Bahnhof ab. Das haben die Stadtverordneten mit klarer Mehrheit erklärt.
Diese Pläne sehen vor, dass Reisende bis zu 400 Meter lange Wege bis zu den Bahnsteigen zwei und drei von und zu den Zügen in Kauf nehmen müssen. Außerdem soll das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude baulich von den Bahnsteigen, die angehoben werden, abgekoppelt und nicht mehr genutzt werden. Stattdessen soll westlich des Empfangsgebäudes ein neuer Zugang entstehen – behindertengerecht zwar, aber weiter entfernt zu Busbahnhof und Parkplatz, die von der Stadt vor Jahren als Nahverkehrsangebot gebaut wurden.
Die Bahn habe die "billigste Variante" erarbeitet, die für Reisende nicht attraktiv, stattdessen "abschreckend" sei, ist in der Stadtverordnetensitzung kritisiert worden. Statt einen Überweg weit außerhalb des Bahnhofs in Richtung großer Unterführung zu errichten, wird die Bahn per Beschluss aufgefordert, ein Brücken- bzw. Tunnelbauwerk mit Fahrstuhl vorzusehen. Nur in diesem Falle sei die Stadt bereit, mit der Bahn in Verhandlungen für einen möglichen Kauf des Bahnhofes zu treten.
Erst dann sei die Zeit reif darüber zu reden, ob die Stadt selbst oder Dritte den Bahnhof erwerben, erklärt Bürgermeister Jörg Gampe. Es gebe Vorschläge, wie das Bauwerk genutzt werden könnte. In der saarländischen Partnerstadt Eppelborn seien im Bahnhof eine Gaststätte und ein Fitnesszentrum untergebracht worden. In Ortrand hat ein Privatmann ein Gesundheitszentrum mit Arztpraxen eingerichtet.
SPD und BfF starteten noch den Versuch, den eventuellen Kauf des Bahnhofes in einer gesonderten Vorlage zu diskutieren – was die Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung aber abgelehnt hat. -db-
Am Montag den 13.08.12 beginnen nun die Arbeiten zum Umbau des Bahnhofs. Fast täglich wird dann ab 7-13 Uhr die Strecke gesperrt um Gründungsarbeiten für die neuen Oberleitungsanlagen zu machen. Zwischen Doberlug-Kirchhain und Calau besteht dann für den SPNV SEV.