Pressemitteilung der Lausitzer Rundschau am 27.10.11:
Zitat Bahn-Weichensteller zu Besuch in Cottbus Cottbus Wenn Konzernchefs auf ihre Mitarbeiter treffen, gleichen ihre Gespräche oft sorgsam einstudierten Theaterstücken. Rüdiger Grube, Vorstandschef der Deutschen Bahn, hat beim Besuch des Standortes Cottbus allerdings viele Rollenklischees gesprengt.
Cottbus. Ein Sonderzug für den Konzernchef: Allein diese Ankündigung ließ am gestrigen Mittwoch viele Bahnmitarbeiter in Cottbus schmunzeln. Erinnerte das Szenario doch stark an frühere Besuche von Politfunktionären, die „an der Basis“ eine geschönte Wirklichkeit und handverlesene Gesprächspartner vorfanden. Rüdiger Grube, seit gut zwei Jahren an der Spitze der Deutschen Bahn, versucht dennoch, einen dauerhaften Dialog zwischen Mitarbeitern und Führungsebene zu etablieren. „Mindestens zweimal die Woche will ich deshalb Standorte in der Region besuchen und dort mit unseren Kollegen sprechen“, erklärt er seine Strategie. So kam er denn am gestrigen Mittwoch mit einem Triebwagen aus Berlin zum Werkstattstandort Cottbus. Dabei machte er sich gleich zu Beginn des Besuches sein erstaunliches Personengedächtnis zunutze: Per Handschlag und mit Vornamen begrüßte er einen Lokführer, den er vor Monaten bei einem Treffen in Berlin kennengelernt hatte. Ähnlich schnell gewann der Konzernchef das Herz von Manfred Ford, 59. Seit 43 Jahren Mitarbeiter der Bahn, hatte Ford die Aufgabe, Grube die vorgeschriebene Sicherheitsunterweisung vor Betreten des Werkstattbereiches zu erteilen. Grube wollte von dem Sicherheitsbeauftragten wissen, wie die Stimmung im Unternehmen ist. Und nach einigem Zögern sagte Manfred Ford: „Na ja, die Mehrfachbelastungen machen sich langsam bemerkbar. Immer weniger Personen müssen immer mehr Verantwortung tragen. Und das bei unserer Altersstruktur.“ Ein Thema, das auch in der folgenden Diskussion eine große Rolle spielen sollte. Denn statt, wie eigentlich geplant, eine halbstündige Rede zu halten, rief Bahnchef Grube die Mitarbeiter des Cottbuser Instandhaltungswerkes zum Gespräch über Probleme und Missstände auf. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nur vor Ort erfahre, wie die Situation im Unternehmen wirklich ist. In den 20. Stock eines Konzerns dringt so etwas selten vor.“
An Fragen und Ängsten herrschte tatsächlich kein Mangel. Größte Sorge derzeit: die Umsetzung des Winterfahrplans. „Denn womit sollen wir eigentlich fahren“, fragte ein Teamleiter, der Fahrer am neuen „Talent 2“ ausbilden soll. Wagen dieses Regionalbahntyps sollten eigentlich schon seit 2009 auf der Schiene sein, für dieses Jahr hatte Hersteller Bombardier 170 Wagen versprochen. Wegen nicht eingehaltener Normen dürfen diese Wagen allerdings derzeit nicht eingesetzt werden und stehen auf dem Abstellgleis. Rüdiger Grube: „Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr wenigstens einige Züge geliefert bekommen, die für 160 Stundenkilometer zugelassen sind.“
Weiteres Sorgenkind: der Verlust der Strecke der Regionalstrecken 2 und 4, die ab Dezember 2012 von der Odeg bedient werden. „Das bedeutet 15 Loks und 60 Waggons weniger, die in Cottbus instand gesetzt werden“, gab Grube zu. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass der Standort auch nach 2012 gut ausgelastet sein wird. „Werkstattkapazitäten sind so ein kostbares Gut, dass ich hoffe, wir können neue Arbeiten ins Werk holen.“ Dritter Schwerpunkt: die Belastung der Mitarbeiter. „In Cottbus haben wir ein Durchschnittsalter von 50 bis 55“, so Klaus Göbel, Betriebsrat der DB Netz. Rüdiger Grube. „Wir brauchen in den nächsten zehn Jahren 78 000 neue Mitarbeiter und wir entwickeln viele Ideen, wie wir diese Menschen ins Unternehmen holen können.“
Zum Thema:
Zu Planungen in der regionDie Strecke Berlin – Dresden wird definitiv ausgebaut. Bis 2015 soll die Fahrzeit auf 90 Minuten reduziert werden, später soll sie auf eine Stunde sinken. In Forst werden zehn Millionen Euro in ein neues elektronisches Stellwerk investiert, das die Option erhält, zweigleisig zu fahren. Die Deutsche Bahn hat sich in einem Ausschreibungsverfahren des Lebuser Landes um die Bedienung mehrerer grenzüberschreitender Strecken ab Forst und Guben beworben. Der Ausbau des Cottbuser Bahnhofes ist für 2014/16 geplant, falls die Finanzierung zwischen Bahn, Stadt und Land geklärt ist.